Der Sound zum Text:
Ich befinde mich gerade auf der liebreizenden Insel Amrum. Eigentlich ist es ein bombastischer Sandstrand mit drei angehängten Dörfern. Überschaubar, sehr gepflegt, lückenlos beschildert und voller Friesentortenherzlichkeit – das perfekte Inselchen für den deutschen Urlauber. Ich weiß, es gibt nicht DEN Urlauber und auch nicht DEN Deutschen, aber ich bin ja nun mal ausgezogen, um meine Landsleute unter die Lupe zu nehmen und da muss ich ab und zu alle in einen Topf werfen.
Folgende Szene: Ich nehme an einer Wattwanderung teil, die ganze Gruppe läuft auf einem schmalen Weg Richtung Startpunkt. Zwei behelmte Radfahrer, er vorneweg, sie hintendran, möchten ihre Tour nicht unterbrechen und auch das Tempo nicht drosseln. Allgemeiner Unmut auf allen Seiten, der sich bis zu Hass und Häme steigert.
Gestern auf Föhr: eine Dame fährt mit Rad auf der Promenade entlang, was laut Beschilderung nicht erlaubt ist. Sie fragt ihren Begleiter halb trotzig, halb unsicher: die werden doch jetzt nicht mehr meckern, oder? Ich habe es getestet. Sie werden.
Es wird uns nachgesagt, dass wir Deutschen viel meckern. Ich fürchte, zu Recht. Mag ja sein, dass sich da im Alltagsstress einiges entlädt, aber mit Blick auf Abendsonne und Meer?
Die naturkundliche Wattwanderung hingegen ist ein Gute-Laune-Event. Schon bei der Grachtenrundfahrt in Friedrichstadt war ich bass erstaunt, dass die überwiegend älteren Teilnehmer fröhlich giggelten, als der „Katastrophenkapitän“ verlauten ließ, das Schiff würde nicht mal mit Vaseline durch die Brücke passen, er hätte es getestet. Und nun also das Angebot vom Wattführer, kurzerhand den Fuß chirurgisch zu entfernen, wenn es mal bluten sollte. Ich verstehe es nicht: eine Gruppe unterschiedlichster Altersstufen und sicher auch Bildungsbiographien giggelt hierauf gemeinsam. Der Wattführer spricht die ganze Zeit laute, einstudierte Sätze, sodass ich mich genötigt sehe, 20 Meter Abstand zu halten und schließlich meiner Wege gehe.
Vor sieben Jahren habe ich nach einer Bimmelbahnfahrt zu einem Schloss die textouren gegründet (www.textouren.com). Stadterlebnisse für Menschen, die auch im Urlaub normal behandelt werden möchten. Man gibt doch nicht sein Gehirn ab, nur weil man gerade einmal unterwegs ist.
Es muss da einen Zusammenhang geben. Zwischen dem Hang zum meckern und der Akzeptanz der guten Laune auf Bestellung. Es ist ja mehr als Akzeptanz, es ist Wohlwollen. Vielleicht liegt es ja an der Gruppe. Man meckert als Gruppe und lacht als Gruppe. Vielleicht sind Vaseline-Witze der kleinste gemeinsame Nenner einer Gruppe Deutscher im Urlaub?
Ich habe mich umgesehen, Quallen, Muscheln, Hasen, Vögel, alle sind in einer Gruppe unterwegs. Damit können wir uns also nicht rausreden. Oder hat schon mal jemand eine Qualle einen Vaselinen-Witz erzählen hören? Eben.
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Gehört:
Steigen Sie doch mal ab!
Gehen Sie mal lieber aus dem Weg, verdammt!
Gelernt:
der NDR sendet wann er will, dafür aber über das Wandermärchen: http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/das/wandermaerchen100.html
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Hasen sind Einzelgänger und treten daher nicht in Gruppen auf. Das tun Kaninchen. *klugscheißmodus.aus*
Über Witze wie die der Fremdenführer lacht man wohl eher höflicherweise. Und weil Lachen ansteckend wirkt (was ja total gut ist), lacht dann schnell die ganze Gruppe.
Den Kadavergehorsam, der in diesem Lande herrscht, finde ich viel übler als höfliches Lachen über schlechte Witze.
Gute Reise weiterhin!
Habe ich heute per Mail bekommen, sollte als Kommentar gedacht sein. Vielen Dank!
Ein Wandermärchen wird wahr
Durch den Norden tourt `ne Frau
auf`m Esel mit 2 Rädern.
Das ist ganz schön mutig- wow!
Doch sie lässt auch schon mal Federn:
So viel Menschen, Bilder, Stätten,
täglich wieder andre Betten;
Impressionen woll`n verdaut sein,
das Gepäck wieder verstaut sein.
Ob bei Sonne oder Regen-
Immer neuem Ziel entgegen.
Dort spricht sie so manch Gedicht,
(nur mit Golfern klappt das nicht).
Und durch Blogs erzählt sie allen,
die das int`ressiert begleiten,
was ihr auf- und eingefallen.
Das sind wunderbare Seiten!
Passen Sie gut auf sich auf (von wegen Kräfte und so ), es wäre schön, wenn Sie es noch bis nach Ostfriesland schaffen!
Ganz liebe Grüße und ein großes Danke, dass Sie uns Stubenhocker an Ihrem Abenteuer teilnehmen lassen.
Na gut, die Wahrheit ist: Ich verstehe es auch nicht.
Ich glaube, das hat etwas mit Humor zu tun. Humor im Sinne einer Lebenseinstellung. Wer keinen hat, der schimpft über Radfahrer und meint, „Humor“ hätte was mit Witzeerzählen zu tun. Und dann lacht man halt, weil man gelernt hat, Humor wäre was Gutes.
hallo Magdalena,
viel beschämender finde ich oft, wie sich die in Gruppen auftretenden Landsleute im Ausland oft benehmen..
ich bin da schon oft im Erdboden versunken..
und ja..das „Rudelverhalten“ ist oft nicht zu verstehen..
Aber grüss mir die Inseln-;)
und deine Bilder sind schön..
das jahrelange Fotografieren hat mich sehen lassen, WIE schön eine einzelne Sekunde sein kann udn WIE schön ein winziges Detail..
ich erfreue mich gerade an Deinen Bildern-;)
Lieben Gruss
katrin
Gruppendynamik finde ich grundsätzlich erschreckend,da sind Vaseline-Witze noch das geringere Übel……
Leider habe ich den Eindruck,dass das Leben miteinander allgemein härter wird,bei allen Anstrengungen es angenehmer zu gestalten.
So habe ich manchmal Sehnsucht nach einer einsamen Insel auf der Aleuten-Kette,wo niemand sonst hinkommt,außer denjenigen,mit denen man sich versteht! 😉
Ich lese gerne hier mit,weil ich urbane Abenteuer ungeheuer spannend finde!
So wünsche ich weiterhin alles Gute auf der Tour,und hoffe trotz manch ärgerlicher Erkenntnisse auf ein Happy End! 🙂
Lustig finde ich das Wort “giggeln“ – ein schönes Wort, das nehme ich auf in meinen Sprachgebrauch.