Ich bin in Franken. Das ist zwar theoretisch noch Bayern, praktisch aber eine andere Welt. Ein Freund sagte mir in München, wenn ich in diese Gegend komme, gäbe es nur eine Sache, die ich unbedingt, wirklich unbedingt tun müsse: „Essen, essen, essen!“

Ich verstehe inzwischen, warum. Das scheint hier ein bisschen das Motto zu sein: gut essen, gut trinken, gut leben. Den Franken ist aber auch die Nähe zu Familie und Freunden wichtig, sagt zumindest die hiesige Tageszeitung. Und ja, es wirkt schon sehr gesellig hier, bodenständig und gemütlich.

Die Leidenschaft der Franken für Kultur zu wecken ist hingegen nicht so leicht, man sagt, „passt scho“ sei das größtmögliche Kompliment. Für mich auf der Bühne ist das immer wieder eine Überraschung. Es hat eigentlich schon in Niederbayern begonnen, in einem schönen Örtchen im malerischen Altmühltal. Eine kleine und eher private Bühne, ein freundlich schauendes Publikum, ca. 20 sympathische Menschen, ich betrete die Bühne, mache den Koffer auf und lege los – und es beginnen die eindrücklichsten 45 Minuten seit langem. Das Publikum verzieht keine Miene, es reagiert nicht, lacht nicht, klatscht nicht, sitzt da als wünschte es sich überall hin, nur weit weg von diesem Ort. Ich frage mich verzweifelt, was hier los ist und komme irgendwann zu dem Schluss: Sie hassen es! Also was tun? Ich gebe in der Performance alles, dann kürze ich das Programm ab, wo immer das möglich ist. Endlich, das Ende naht: Danke und eine kurze Verbeugung. Und dann das Unglaubliche: das Publikum klatscht und klatscht, will gar nicht aufhören damit. Ich schaue sie fassungslos an und rufe mitten in die begeisterten Gesichter: „Ich dachte, es gefällt euch nicht!“. „Wieso denn?“, fragt das Publikum, „Wir haben doch nur zugehört“. Und dann machen sie einen Stuhlkreis. Und reden und diskutieren über Literatur, Deutschland, Identität, Flüchtlinge. Ich kann es immer noch nicht ganz fassen und halte mich an meinem Weinglas fest, während ein älterer Herr, ein musikalisches Genie wie man mir zuflüstert, unablässig und leidenschaftlich mein herausragendes Talent besingt. Verrückt, denke ich immer wieder. Ich dachte, ich kann gequälte Stille von gespannter Stille unterscheiden, aber dem ist wohl nicht so.

Immerhin hat es mich gut vorbereitet auf das Kompliment gestern Abend, was mir ein Würzburger entgegenwarf, kaum dass ich die Bühne geräumt hatte. „So schlimm war es nicht“, sagt er und meint das ernst. Da kann ich schon wieder drüber lachen. Und ich stoße mit den lebenslustigen Franken auf den feinen Wein an; und überhaupt. Manchmal will man gar nicht mehr, als dass es nicht so schlimm ist.

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