Seit 10 Tagen bin ich wieder unterwegs. Auf dem Rückweg sozusagen, vom Chiemsee nach Hamburg in gut sieben Wochen. Vor mir liegen noch die Donau, der Harz und viele Stationen und Auftritte. Hinter mir liegen mein erster Urlaub in den Bergen, das Allgäu, der Chiemgau, München und ein Kloster.

Es ist merkwürdig mit Bayern – es wirkt so ordentlich und unaufgeregt und erinnert mich damit etwas an den Norden. Aber die spontanen Reaktionen auf das Wandermärchen sind hier, anders als im Norden, manchmal ebenso unaufgeregt. Mit schwachem Wohlwollen registriert man meine Unternehmung – es scheint, als sei das Thema „Deutschland“ hier sehr weit weg. Und diese Reise vor allem meine Sache. „Schön, dass Du das machst, aber hey, was habe ich damit zu tun?“ scheint mir so ein unausgesprochener Subtext zu sein. Bayern genügt sich selbst und ein Nordlicht, das durch die Republik radelt, bleibt nun mal ein Nordlicht auf Besuch im Süden. Wenn ich die Schönheit der Landschaft rühme, dann wird das huldvoll zur Kenntnis genommen, aber man weiß hier schon selbst, was man hat. Und ob es mir hier nun gefällt oder nicht – das ist am Ende nicht entscheidend.

Bayern hat aber auch gerade andere große Themen – die Flüchtlinge sind überall präsent im Freistaat, wenn nicht physisch dann in den Medien und Köpfen. Auch in meinem.

Ich war in München nicht am Bahnhof um die Ankommenden zu begrüßen, etwas hat mich davon abgehalten. Vielleicht meine Unsicherheit wie ich mit dem Thema umgehen soll, vielleicht mein Befremden, dass ich bei dem Applaus auf den Fernsehbildschirmen empfunden habe. Weil Applaus mir wie eine unpassende Reaktion erschien bei all dem Leid, dass diese ganze Situation ausgelöst hat und mit sich bringt. Ich weiß einfach noch nicht, worauf das alles hinausläuft. Und ich fürchte, dass keiner das so genau weiß, auch nicht diejenigen, die von Amts wegen eine Strategie haben sollten. Und das verunsichert mich.

Denn obwohl es ein politisches Thema ist, ein globales sogar, betrifft es doch jeden von uns ganz persönlich: Da sind unfassbare Schicksale, die diese Menschen im Gepäck haben und die nun auf einmal ganz direkt mit uns zu tun haben – sind wir doch das Ziel großer Hoffnungen. Und da ist auch die Angst vor dem Ungewissen, vor Veränderungen, welche unabdingbar damit einhergehen und die wir noch nicht ansatzweise ermessen können. Das alles macht betroffen und betrifft jeden von uns. Und es wird wohl eine Weile dauern, bis wir damit umgehen können.

Statt an den Bahnhof bin ich ins Kloster gegangen. Für zwei Nächte haben mich die Zisterzienserinnen in Oberschönenfeld beherbergt, in einem prächtigen Gebäudekomplex mit Kirche und Klostergarten, angeschlossener Bäckerei, Biergarten und Museum. Ich bin nicht katholisch aufgewachsen, aber ich dachte, ich probiere es einfach mal aus. Die Zisterienserinnen treffen sich sechsmal am Tag zum Gebet in der Kirche und ich wollte nichts verpassen. Die Vesper und das Komplet am Anreisetag habe ich noch halb unsicher, halb neugierig durchgestanden, aber schon bei der heiligen Messe am nächsten Morgen ging es nicht mehr. Ich war gestresst vom ständigen aufstehen und hinsetzen, wollte oder konnte nicht mitsingen, auf einmal wurde mir heiß und kalt und dann speiübel. Mitten im Vaterunser rannte ich so schnell ich konnte aus der Kirche und legte mich völlig erschöpft wieder ins Bett. Kann sein dass mein Kreislauf einfach schlapp gemacht hat, aber ich glaube, ich war überfordert. Mann kann nicht einen Tag lang Nonne sein. Von 0 auf 100. Das sagten mir die Schwestern auch gutmütig lächelnd, als wir am Abend beieinander saßen. Und ich spürte vor allem, dass man so etwas nicht mit journalistischem Abstand betrachten kann. Schließlich geht es um etwas ganz persönliches, den eigenen Glauben oder auch Nichtglauben.

Die Atmosphäre im Kloster hat mich berührt – diese Ruhe in den schönen hohen Räumen, die Herzlichkeit der Schwestern, der regelmäßige Glockenklang, der zum Gebet rief. Trotzdem glaube ich nicht, dass aus mir jemals eine Kirchgängerin wird, geschweige denn eine Nonne. Es ist eine abgeschirmte Welt, die wenig Kontakt mit der Außenwelt und ihren Problemen hat, wie die Nonnen selber sagen.

Das war Bayern auch einmal, könnte ich jetzt zynisch sagen. Aber ich bin nicht zynisch.

Nicht nach zwei Tagen im Kloster.

 

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